Der Pazifismus hat es schwer in Zeiten, in denen Milliarden in die Rüstung gesteckt werden. Ein SZ-Kommentator verteidigt die Idee dennoch – Leser pflichten ihm bei:
Kommentar „Den Frieden wagen“ vom 1. Juli:
Kein Krieg als „Normaloption“
In einer Zeit, in der sich die öffentliche Debatte oft in reflexhafte Forderungen nach Aufrüstung und militärischer Stärke flüchtet, ist der Kommentar von Wolfgang Janisch wohltuend und eine differenzierte Verteidigung des Pazifismus. Dies ist aufgrund mangelnder Alternativen zur militärischen Option und vor allem aufgrund der furchtbaren Leiden insbesondere von Kindern und Zivilisten in den Kriegsgebieten von der Ukraine bis Israel, Gaza und dem Sudan dringend notwendig.
Janisch erinnert daran, dass Pazifismus keineswegs bedeutet, in naiver Weise die Realität zu verkennen oder Gewalt grundsätzlich zu ignorieren. Vielmehr geht es um die klare Priorität: Krieg darf niemals zur „Normaloption“ werden, wie das aktuell immer mehr der Fall zu sein scheint. Immer weniger wird dazu auf die Grundlagen des Völkerrechts Rücksicht genommen. Die Würde des Pazifismus liegt genau darin, dass er sich gegen die Verrohung der politischen Sprache und gegen das politische Kalkül der „schnellen Lösung“ durch Waffengewalt stellt. Außerdem ist er mit dem Dialog verbunden, der keineswegs die schuldhafte Verursachung von Unrecht ignoriert.
Gerade angesichts der vielen Opfer von Gewalt ist die Stimme des Pazifismus unverzichtbar – nicht weil sie einfache Antworten liefert, sondern weil sie unbequeme Fragen stellt: Haben wir wirklich alles versucht, bevor wir zur Waffe greifen? Und: Was bleibt übrig, wenn das Völkerrecht weiter ausgehöhlt wird? Andrea Riccardi, Gründer von Sant’Egidio und Vermittler in Kriegssituationen, hat im Interview in der SZ betont, dass sich der Krieg wie ein Feuer vom Sofa schnell auf die ganze Wohnung ausbreitet.
Das erleben wir heute: Kriege breiten sich aus und mit ihnen wachsen Hass und Rachegelüste, die die Generationen der Zukunft gefährden. Zu Recht zitiert Janisch Russel und Einstein, denen man sicherlich keine Naivität vorwerfen kann, dass die Menschheit entweder in der Lage sein wird, den Krieg abzuschaffen, ansonsten wird der Krieg die Menschheit abschaffen. Das Feuer des Krieges kann nicht mit Feuer gelöscht werden, dazu wird das Wasser des Dialogs, des Völkerrechts und der Diplomatie benötigt. Das ist nötig, denn der Krieg hinterlässt die Welt, mit den Worten des verstorbenen Papstes Franziskus, immer schlechter, als er sie vorgefunden hat.
Dr. Matthias Leineweber, Würzburg